Ein Plädoyer



"Hohes Gericht! Meine Damen und Herren Geschworenen!
Ich danke Ihnen für die mir großzügig gewährte Möglichkeit, nach den Ausführungen meines verehrten und sehr engagierten Herrn Pflichtverteidigers auch noch persönlich das Wort ergreifen zu dürfen. Ein Schlusswort in eigener Sache
Sie werden sich anschließend zur Beratung zurückziehen, um über mich und die Ergebnisse meiner Forschung entweder den Stab zu brechen, wie dies in den dunklen Zeiten des Mittelalters üblich war, weil nicht erforscht werden darf, was nicht erkannt werden soll, oder meine Arbeit als das anzuerkennen, was sie ist und bedeutet: Eine neue kopernikanische Wende in der Geschichte der Humanwissenschaft.
Wer die Resultate meiner Arbeit anerkennt, für den steht der Mensch, der homo sapiens sapiens, nicht mehr auf dem hohen, selbstgezimmerten und höchst brüchigen Sockel, den er so vehement und so emotional verteidigt.
Wir, die zur Zeit dominanten Bewohner des Planeten Erde, sind Übergangswesen, nichts weiter.
Wir sind die Neandertaler von morgen.
Das Etikett von der Krone der Schöpfung, das wir uns so selbstgefällig umhängen, wurde von mir als naive, eitle Illusion bloßgestellt.
Ein schmerzlicher Selbstfindungsprozess für uns alle könnte damit beginnen.
In aller Bescheidenheit darf ich sagen: Meine Experimente haben bewiesen, dass wir als Wesen austauschbar und nach Belieben neu konstruierbar sind.
Das sollte uns zu der banalen Einsicht verhelfen, dass wir als Zufallsprodukt der Evolution - kosmisch gesehen - leider höchst unwichtig und vermutlich sogar überflüssig sind.
Die jahrzehntelange Suche nach einem 'Missing-Link' in der Entwicklung des homo sapiens sapiens, den scheinbar so spontanen, plötzlichen und als 'gewaltig' klassifizierten Sprung von seinen Vorläufern, primitiven Hominiden, zu seiner offenbar so gelungenen, endgültigen, heutigen Form als abstrakt-denkendes, intelligentes, vernunftbegabtes Wesen, habe ich als nutzlos und abwegig entlarvt. Denn: Dieser Sprung, sofern er überhaupt einer war, und nicht nur eine Lücke in unserer Information über eine stetige Weiterentwicklung der Spezies, so war er zufällig und aus genetischer Sicht trivial.
So, wie ich hier vor Ihnen stehe, bin ich der Vertreter einer Mutation unter vermutlich Millionen Mutationen, die über Äonen von Jahren auf diesem Planeten entstanden sind, einer Hominiden-Art also, die sich in ihrer Reproduktionstaktik als äußerst fruchtbar und in ihrer Ausbreitung als extrem aggressiv und daher erschreckend erfolgreich erwiesen hat.
Der Rest ist die überlebensbedingte, eigendynamische Entwicklungsstrategie einer Spezies aufrecht jagender, und in jeder Hinsicht skrupelloser Raubaffen, bestens angepasst an sich ständig verändernde Umweltbedingungen.
Zumindest bis heute.
Die Evolution würfelt blindlings, wahllos und unvorhersehbar nach Gesetzen von Zufall und Notwendigkeit.
Andererseits: Wer nicht mitspielt, wer nicht Eigenschaften entwickelt die eine Überlebens-Chance optimieren, hat als Spezies versagt und verschwindet von der Bühne des Lebens.
Wir sind nicht verschwunden!
Im Gegenteil: wir haben uns ungehemmt vermehrt und tun es weiter.
Trotzdem: Stolz zu sein, auf das, was wir sind, steht uns nicht zu, denn das bisherige Ergebnis entstand ja jenseits jeglicher subjektiven Absicht und unabhängig von Einfluss und selbstbezogener Mitwirkung, und es ist mitnichten als fehlerfrei und gelungen zu bezeichnen.
Soweit meine höchst persönliche Botschaft!
Ich frage Sie nun: Ist die Verkündung einer neuen, uns angemessenen Bescheidenheit strafbar?
Ist der Narr, der sich und andere Narren der Narretei bezichtigt, ein Verbrecher?
Oder ist er nur lästig und muss mundtot gemacht werden, was der Herr Sonderermittler und Chefankläger hier gerade im Sinne eines neuen, mehrheitlich-konservativen und religiös-fundamentalistisch orientierten Trends versucht?
Ich habe die Spezies Mensch als Zufallsprodukt der Evolution dorthin gestellt, wohin sie gehört.
Ich habe zurecht gerückt, nicht kompromittiert!
Was, bitte, ist daran kriminell?
Mein Bemühen, die Rudimente einer anthropozentrischen Sicht aus längst vergangenen Tagen, die uns in den Mittelpunkt des Kosmos stellt und die unser Bewusstsein mit absurd-freundlichem Wunschdenken immer noch einengt, endgültig auszumerzen, das kann doch nicht Sinn eines hochnotpeinlichen Strafverfahrens sein - bestenfalls Grundlage eines philosophischen Disputs.
D
amit zur Sache:
Mein Herr Pflichtverteidiger ging auf die wissenschaftliche Tragweite meiner Arbeit nicht weiter ein, und dies sicher aus gutem Grund.
Er beschränkte sich vielmehr auf die aus juristischer Sicht anfechtbare Anklage gegen mich.
Dieses Verfahren vor einer Grand Jury des Staates Texas ist - ich bitte Sie, mir diese subjektive Wertung zu verzeihen - absolut absurd und lächerlich!
Der Herr Chefankläger bezichtigt mich, unter anderem, der Gotteslästerung.
Wo, außer in gewissen islamischen Ländern und hier in diesem Bundesstaat der USA, gibt es noch einen derartigen Paragraphen.
Wie kann ein überzeugter Agnostiker wie ich, der die Schöpfung als ein sich eigendynamisch entwickelndes Rätsel begreift, hinter dem sich kein 'Wille' und kein 'Macher' verbirgt, einen Gottesbegriff 'lästern'?
Ich müsste Atheist sein. Aber ich bin es nicht.
Der Atheist ist überzeugt von der Nichtexistenz Gottes.
Ich aber glaube leidenschaftlich an ein höheres System, dem der gesamte Kosmos ebenso wie die subatomaren Bausteine der Materie, dem Zeit, Energie und Leben ihre Existenz verdanken.
Leider ist unsere Intelligenz begrenzt und nicht in der Lage, Zusammenhänge, Sinn und Zweck dieses Systems zu begreifen.
Das menschliche Gehirn hat sich zu dieser hochkomplexen Form entwickelt, um unserer Art das Überleben zu ermöglichen. Alle übrigen Funktionen, von Homers Odyssee über Beethovens Neunter Symphonie bis hin zur Relativitätstheorie, sind überflüssige Entgleisungen.
Übrigens auch meine, leider so heftig umstrittene, Forschung und ihre Ergebnisse.
Außer der vom Herrn Sonderermittler so sträflich vermissten Hochachtung vor dem lieben Gott, dem ich ins Handwerk gepfuscht haben soll, bemüht die Anklage ein Gentechnikgesetz der Vereinigten Staaten aus den Anfangszeiten des gezielten genetic engineering, ein Gesetz, dem sich leider und wider besseres Wissen zahlreiche Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen sinngemäß angeschlossen haben, und das gewisse Manipulationen in der Molekularbiologie unter Strafe stellt.
Dieses Gesetz ist in meinem Fall jedoch nicht relevant.
Mein Forschungslabor befindet sich im Regenwald der Republik Kongo.
Dieses Land kennt keine Behinderung der genetischen Forschung.
Die kongolesischen Behörden haben meine Arbeit zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Weise kritisch kommentiert.
Im Gegenteil: Ich wurde bisher von allen Institutionen, die der Regierung unterstehen, nachhaltig unterstützt.
Die Justiz der Republik Kongo hätte auch einen bereits vorbereiteten Auslieferungsantrag der USA, meine Person betreffend, schlichtweg ignoriert.
Insofern bezweifelt mein Herr Pflichtverteidiger ebenso wie ich die formale Zuständigkeit dieses Gerichts, gegen mich oder meine Forschung überhaupt zu verhandeln.
Es waren die Schlagzeilen der Medien, ich hätte den "göttlichen Funken" entdeckt oder "spiele Gott", die den Herrn Sonderermittler zu seiner Anklage inspirierten und damit zur Einleitung eines offiziellen Verfahrens vor der ersten Strafkammer des Staates Texas unter einer Grand-Jury hier in Dallas.
"Göttlicher Funke..."

Ja, ich räume ein: Ein Zitat aus einer meiner Publikationen, die unter anderem auch hier in den USA in diversen Fachzeitschriften erschienen sind.
Es wäre nicht mein Stil, von einem göttlichen Funken zu sprechen.
Daher erschien diese Formulierung auch nur ein einziges Mal und in einer Fußnote, als beiläufige, marginale Metapher gebraucht, die ich der Anschaulichkeit halber im Zusammenhang mit der von mir gezielt und zusätzlich eingeschleusten DNS-Codierung gewählt habe.
In der Presse machte dieser "Göttliche Funke" Schlagzeilen.
Der Herr Staatsanwalt und Sonderermittler nennt das von mir gebrauchte Bild zynisch, satirisch, ketzerisch und widmete ihm in seinem Schlussplädoyer geschlagene fünfunddreißig Minuten.
Die Behauptung ich "spiele Gott" ist eine wesentlich griffigere Floskel, mit der gewisse Printmedien ihre Titelseite schmückten, zusammen mit einem Porträt von mir im Kreise einiger meiner Geschöpfe. Vielleicht hat das die Auflage gesteigert.
Das Zitat stammt übrigens nicht von mir.
Denn: Ich "spiele" nicht!
Ich "manipuliere"!
Und ich versuche damit die verschlungenen Wege der Evolution nachzuzeichnen und nachzuvollziehen.
So es Ihnen denn beliebt, und Sie für die Kraft, die wir hinter der Evolution vermuten einen anderen Begriff wählen als ich: So gut wie Ihr 'Lieber Gott' bin ich allemal - nur wesentlich schneller und effizienter.
Wie gesagt: ich würfle nicht!
Ich überlasse auch nichts dem Zufall!
Wenn der Herr Pflichtverteidiger meine Veröffentlichungen in "Science" und "Nature" als Selbstanzeige eingestuft und gewürdigt wissen will, weil dies möglicherweise als eine Art mildernder Umstand auf Ihre Entscheidungsfindung, meine Damen und Herren Geschworenen, und auf das Strafmaß des Ehrenwerten Herrn Vorsitzenden Einfluss haben könnte, so tut er das spekulativ, jedoch in lauterer Absicht.
Dafür danke ich ihm.
Mir lag jedoch, um der Wahrheit gerecht zu werden, jegliche Intention in dieser Richtung fern.
Selbstanzeige setzt ja Schuldbewusstsein und damit sträflichen Vorsatz bei einer Tat voraus, was zu keinem Zeitpunkt Teil meiner Erwägungen war.
Ich habe veröffentlicht, als ich fand, dass es an der Zeit war, um interessierten Kollegen die nötigen Informationen zugänglich zu machen.
Der Sturm der Entrüstung in den Medien und damit in der Öffentlichkeit hat mich zutiefst überrascht.
Ich habe mit Anerkennung gerechnet.
Ich ging davon aus: die Fachwelt würde mir danken!
Ein Nobelpreis, so dachte ich, ist das Mindeste, was ich erwarten konnte.
Jetzt droht man mir statt dessen mit dem Scheiterhaufen.
Der Herr Chefankläger fordert - wohl wegen der Anzahl der von mir veröffentlichten Manipulationen - eintausendvierhundert Mal die Todesstrafe.
Grotesk!
Giordano Bruno wurde nur ein einziges Mal verbrannt.
Auch er fand die Menschheit nicht halb so bedeutend, wie es der allmächtigen Kirche seiner Zeit gefiel.
Galileo Galilei wurde zum Schweigen verurteilt. Der Grund ist bekannt.
Ich habe, trotz aller Warnungen, trotz aller Drohungen, nicht geschwiegen.
Ich habe weiter veröffentlicht und ich habe geredet.
Sogar hier in den USA.
D
ie Bilder gingen um die Welt: Mitten in einem Vortrag in der mit Fachwissenschaftlern vollbesetzten John F.W. Kennedy-Memorial-Halle hier in Dallas mit ihren dreitausendfünfhundert Plätzen werde ich verhaftet und in Handschellen vom Rednerpult weg und quer durch die Menge der aufgebrachten Kollegen hindurch abgeführt.
Ob die Kollegen über meinen Vortrag oder über meine Verhaftung aufgebracht waren, möglicherweise auch über beides, sozusagen sowohl als auch, steht dahin.
Die anwesenden Medien interpretierten den Vorfall, ohne den Tatsachen weiter auf den Grund zu gehen, jeweils auf ihre Weise.
Auch die Bilder, die ich der Öffentlichkeit zugänglich machte, Videoaufnahmen von ausgesuchten Exemplaren meiner Forschungs-ergebnisse, wurden auf skandalöse Weise medienträchtig fehlinterpretiert:
Die Wahrheit ist:
Von mir genetisch manipulierte und daher vernunftbegabte Schimpansen der Gattung Pan troglodytes und der kleineren und friedlicheren Spezies der Bonobos, der Zwerg-Schimpansen, Pan paniscus, sind nach erfolgreicher Auswilderung nun als Lehrer, Missionare, Agronomen, als Sportler, Ingenieure, Kraftfahrzeug-mechaniker, Polizeioffiziere und Steuerinspektoren tätig und dienen in speziellen Polizeieinheiten und im Heer der kongolesischen Regierungstruppen.
Eines Tages werden die von mir erschaffenen Wesen Parlamentsabgeordnete stellen, den Verteidigungsminister, vielleicht sogar eines Tages den Staatspräsidenten des Kongo - wer weiß...
Nicht etwa nach meinen freimütigen Veröffentlichungen, nicht nach meinen Vorträgen über meine genetischen Manipulationen, hier in den USA und in anderen Ländern, nein, erst nach dem von den Medien entfesselten Skandal, trat die sogenannte Richtlinien-Kommission auf den Plan, die über die ethischen Grenzen der Genforschung - also auch über uns Fachwissenschaftler - glaubt richten zu dürfen.
M
eine verehrte Kollegin, Frau Professor Sarah Miller-Heidenreich vom legendären Kings College in Cambridge, wo Watson und Crick vor knapp fünfzig Jahren die gewendelte Struktur der DNS entschlüsselten, den Code der vier Aminosäuren, in dem das gesamte Programm für jedwede Art von Leben steckt, meldete sich als Präsidentin dieser internationalen Vereinigung öffentlich zu Wort und zweifelt an meiner moralischen Integrität und fachlichen Kompetenz als Forscher.
Dieses Verhalten finde ich schlichtweg unkollegial und höchst unqualifiziert
Sie dient nun dem Herrn Sonderermittler als Kronzeugin der Anklage - ohne je mit mir diskutiert, ohne je mein Labor in Diambálo am Fuß des Plateaux Bateke besichtigt, ohne je eines der von mir manipulierten Wesen untersucht zu haben.
Vermutlich hat sie auch keine meiner Publikationen gelesen, sonst hätte ihr Aufschrei bereits wesentlich früher erfolgen müssen.
Denn meine Arbeit begann vor mehr als zwei Jahrzehnten und war zu keinem Zeitpunkt ein Geheimprojekt, wie jetzt behauptet wird, sondern stets von Veröffentlichungen gewisser Teilresultate begleitet.
Allein schon die Beschäftigung mit dem menschlichen Genom, dem Gesamtbauplan in Form des genetischen Code, in dem alle unseren äußeren und inneren Strukturen, alle Eigenschaften, Triebe und Talente gespeichert sind, berührt offenbar ein Tabu und unterliegt neuerdings einer dubiosen Meldepflicht und der Genehmigung durch die Richtlinien-Kommission, die ich als freier Forscher nicht anzuerkennen bereit bin.
Diese Kommissionskollegen, aus meiner Sicht kleinkarierte Bürokraten und Administratoren, sind ja keine Forscher im elementaren Sinn des Wortes, sonst wüssten sie, was es heißt, eine Idee zu haben, eine Vision, und an der Nachprüfung der Wahrheit gehindert zu werden.
Ich entreiße der Natur ihre Geheimnisse - das ist meine Aufgabe.
Es geht um Erkenntnis!
Ich will es wissen!

Zwar gehe ich in Anlehnung an Aristoteles und seine 'Analytika' davon aus, dass jede Wissenschaft und jedes Wissensgebiet von grundlegenden Prinzipien oder Axiomen bestimmt wird, die zu kennen genügt.
Aber das ist für mich kein Grund, in der genehmigungsfreien Theorie zu verharren!
Ich will sehen, ob das, was ich mir gedacht habe, ob meine Vision also funktioniert, und, wenn 'ja', wie es geschieht!
Ich will wissen, ob ich Recht habe mit meinen Mutmaßungen und Hypothesen und Berechnungen.
Mich interessieren die Tatsachen, nicht die Axiome.
Mich faszinieren die verschlüsselten Zusammenhänge, die es sichtbar und beweisbar zu entschlüsseln gilt.
Und da kommen solche Leute, wie auch diese Molekularbiologin, Frau Professor Dr. Dr. Dr. Sarah Miller-Heidenreich, PhD., F.I.Biol., F.R.S.C., K.C.M.G. - um nur einige ihrer akademischen Grade, erworben an diversen Universitäten, zu erwähnen, mit ihrer kleinbürgerlichen, um nicht zu sagen 'religiös-infizierten' Moral.
Wenn es nach dieser Richtlinien-Kommission geht, muss jeder Gedanke ungedacht bleiben, der missbraucht werden kann.
Und was, bitte, heißt in diesem Zusammenhang 'missbraucht'?
Verletze ich Menschenrechte?
Verübe ich Mord und Totschlag?
Beute ich aus?
Bereichere ich mich?
Bin ich ein Oppenheimer oder ein Edward Teller, die beide im Nachhinein von bösen Skrupeln für Ihre Entwicklung von A-und H-Bomben heimgesucht wurden?
Tue ich etwas, was nicht auch die Evolution zu tun in der Lage gewesen wäre oder tatsächlich vollbracht hat?
Über Millionen Jahre hinweg?
Der Unterschied ist: Ich habe weniger Zeit und weniger Geduld!
Ich praktiziere folgendes:
Einbau von spezifischen, isolierten DNS-Segmenten höherer Organismen, sogenannter Eukaryonten wie zum Beispiel des Menschen, in das Genom eines anderen Eukaryonten, wie zum Beispiel hochentwickelter Primaten, wie das über einen Vektor von Escherichia coli, also einen Prokaryonten möglich ist.
D
amit sind wir, ich sagte ja bereits, ich käme darauf zurück, zu dem zur Schlagzeile verkommenen Begriff des 'göttlichen Funkens'.
Außerirdische Wesen, Besatzungen auf der Erde gelandeter Raumschiffe, Mitglieder einer fernen Hochzivilisation, götterähnliche Wesen also, wenn wir modernen Mythen Glauben schenken sollen, hätten, so behaupten die Anhänger des UFO-Kultes, von denen es allein in den USA über 16 Millionen gibt, durch Manipulation aus den ursprünglich primitiven Hominiden, aus den frühen Archanthropinen, dem Australopithecus africanus, genauer: Homo habilis, möglicherweise aber auch bereits aus Pithecanthropus, dem Homo erectus, über die Zwischenstufen der Neanthropinen , wie den Homo sapiens steinheimensis und neanderthalensis, den vernunftbegabten homo sapiens sapiens, den 'weisen Menschen' von heute erzeugt.
Unsinn! Alles blanker Unsinn!
Die Evolution lässt sich Zeit und spielt alle Variationen in großer, unendlicher Ruhe durch.
Kein Sprung, kein Blitz, keine Überraschung!
Und trotzdem immer noch dieser metaphysische Zweifel, dieser geheimnisumwitterte Mythos bei der Entstehung unserer Spezies.
Selbst der Vatikan, der sich der allgemeinen Anerkennung der Evolutionstheorie auf Grund der erdrückenden Beweislast, weder durch Maßnahmen der Inquisition, weder durch Folter, Feuer und Schwert, noch durch Indizierung sämtlicher aufklärerischer Schriften in dieser für ihn so schmerzlichen Richtung zu erwehren wusste, hat nun - letztendlich! - deren Existenz und Wahrheitsgehalt - höchst widerstrebend, aber immerhin - eingeräumt.
Mit gewissen Vorbehalten natürlich.
So sei die Physis des Menschen, seine sterbliche, irdische, fleischliche Hülle zwar über Millionen Jahre hinweg aus niedereren Formen, aus Vorstufen der Gattung der Hominiden entstanden. Aber schließlich, irgendwann, hat der göttliche Atem, jener ominöse Funke also, dem Menschen eine Art Seele eingehaucht und damit Vernunft und Verstand, Intelligenz und vor allem Gottesfurcht und Demut in sein Bewusstsein gepflanzt.
Dabei ist sehr zum Leidwesen der naiven Gläubigen im sogenannten 'Bible-Belt' des Mittleren Westens der USA, die Mär von der Erbsünde auf der Strecke geblieben, was eine 'Erlösung' der Menschheit durch den Opfertod am Kreuz eigentlich überflüssig macht.
Darüber müssen sich die Theologen nun den Kopf zerbrechen. Das ist nicht mein Revier.
Ich, jedoch, habe die Menschliche Seele, diesen göttlichen Funken , das Gen-der-menschlichen-Vernunft gesucht und gefunden.
Ich habe es in Form eines spezifischen, sehr kurzen, sehr banalen DNS-Segments isoliert und in das Genom von Schimpansen eingeschleust und das mit einem frappierenden Ergebnis.
Wie Kernforscher in den gewaltigen Zyklotronen und Beschleunigern, in Fermi-Lab und in CERN, aus gewaltigen Mengen zugeführter Energie Materie zu erzeugen in der Lage sind, und damit die ersten Augenblicke des Big-Bang simulieren, der das Universum in seiner materiellen Form entstehen ließ. So habe ich erfolgreich den Quantensprung in der Mikrobiologie simuliert:
Den Sprung von primitiver Existenz zu höherer Sittlichkeit und intellektueller Reife.
Vom unbewusstem, ungeplantem Dahinvegetieren zu einem Leben in Anmut und Würde.
Vom tierischem Trieb zum idealistischen Denken in einer freiheitlich-moralischen Wertewelt im Dualismus zwischen Pflicht und Neigung.
Vom simplen Zwang des Nahrungserwerbs als physische Notwendigkeit hin zur Erkenntnis einer möglichen spirituellen Realität, in der die zeitlose Form des Guten, Schönen, Wahren und Edlen sich zur Maxime entwickeln kann - besser: könnte - als eigentliche Bestimmung des Menschseins zwischen Berufung, Schicksal und Selbstfindung.
Ich hoffe, Sie können mir und der groben Skizzierung meiner Absichten folgen.
H
alten wir fest: Nur um lächerliche 1,4 Prozent unseres Erbguts, des genetischen Codes der DNS in den Chromosomen, also im Kern unserer Zellen, unterscheiden wir uns von unseren nächsten, tierischen Verwandten, den gewöhnlichen Schimpansen.
Von diesen 1,4 Prozent entfällt das meiste auf Struktur-Gene für das äußere Erscheinungsbild, für die ordinäre Behaarung also, den gedrungenen Körper mit den überlangen Armen, die Schädelform mit der niederen Stirn, den krummen, schleppenden Gang.
Nur ein verschwindend kleiner und gezielter Rest von weniger als 0,2 Prozent, über etliche hunderttausend Jahre entstanden, oder besser modifiziert, hat das primitive Affenhirn der erwähnten Vorstufen zu unserem geistreichen und mit Verstand begnadeten Menschenhirn gemacht, hat Sprache und abstraktes Denken hervorgebracht.
Zwar ist unseres viermal größer, aber das kleinere Schimpansenhirn genügt vollauf, um qualitativ die gleichen Aufgaben zu erledigen wie das unsere, das ja nur zu einem peinlich geringen Teil seine Ressourcen nutzt.
Der Rest wartet offenbar immer noch auf Aufgaben, die uns bisher nie gestellt wurden.
Was dem Schimpansenhirn fehlt, das habe ich ergänzt, und zwar mit der gleichen Manipulation, die ich bei der Invitro-Zeugung meiner vernunftbegabten Schimpansen-Mutationen vorgenommen habe:
Einschleusung, sogenannte Transfektion, von spezifischem DNS-Strukturen aus dem Genmaterial von Menschen während der Keimblattphase der embryonalen Entwicklung mit Hilfe von defekten, ringförmigen Virus-Phagen als Vektoren.
Ich will Sie nicht mit gentechnischen Details ermüden.
Aus dem gereinigten DNS-Strang des menschlichen Genoms eines auserwählten Spenders, nämlich: weiße-kaukasische Rasse, Akademiker mit zahllosen Titeln und höchstem IQ, zerlege ich durch Restriktionsenzyme ein bestimmtes Segment in eine Anzahl linearer Einzelstücke und isoliere dabei das gesuchte Fragment mit dem Gen-für-die-menschliche-Vernunft.
Eingeschleust in die Keimzellen von Pan troglodytes und Pan paniscus entstanden so, über die letzten Jahre und Jahrzehnte hinweg, Schimpansen mit höchst erstaunlichen, menschlichen Eigenschaften.
Ausgewildert in das Hochland von Bateke haben sie sich dort zu Tausenden vermehrt und ihre von mir erworbene Vernunft an ihre Nachkommen weitergegeben.
Ich bin Anhänger eines praktischen Vernunftbegriffs, einer Vernunft also, die sich auf das Wollen und Handeln bezieht und sich, wie Kant uns in seiner Vernunftkritik lehrt, auf eine regulative Tätigkeit beschränkt. Andererseits müssen wir - nach Hegel - von einer dialektischen Verknüpfung von Vernunft und Verstand ausgehen.
Zugegeben: vom Idealbild intelligenter Wesen im Sinne einer vollendeten sittlich-moralischen Reife sind meine Schimpansen-Mutationen noch etwas entfernt.
Die Veränderungen beziehen im Augenblick das Stammhirn noch nicht mit ein, in dem bei uns Menschen die Anlagen für gruppendynamische Ausgrenzung gespeichert sind, für Herdentrieb, Aggression, Ideologien, Religiosität, Spiritismus, Aberglauben, intellektuelle Unterwerfung und Aufgehen in Vereinen und Banden, aber auch Mystizismus, Patriotismus, Nationalismus und andere primitive 'Ismen'. Denn das alles war einst überlebenswichtig für Primitivgesellschaften.
Für uns Menschen der Gegenwart ist dieses archaische Verhaltensmuster - ich erwähne nur fundamentalistisch infizierte Religiosität aber auch ethnisch geprägten Nationalismus, der zu Mord und Totschlag, der zu Krieg und Vertreibung führt - höchst gefährlich, weil vom Verstand her nicht kontrollierbar.
Denn wie gehirnphysiologisch nachgewiesen, sind die Synapsen zwischen dem dumpfen Stammhirnkomplex und den grauen Zellen der Großhirnrinde, des Cortex mit seiner kritischen Intelligenz, in den meisten Fällen nur ungenügend ausgebildet.
Das artspezifisch-menschliche Instinktverhalten hat seine Entsprechung im Stammhirn meiner Mutanten, mit der Großhirnrinde ist es jedoch wesentlich besser vernetzt. Das lässt hoffen!
Wie aus der Menschheitsentwicklung bekannt, entstehen haptische Fähigkeiten aus dem Wunsch, Muskelkraft zu verstärken, einzusparen oder zu ersetzen - nicht nur bei der Jagd, auch bei Angriff und Verteidigung.
Aus leeren Coca-Cola- und Bierbüchsen, aufgesammelt in den Slums und auf den Müllhalden von Diambálo, unserer Provinzhauptstadt, fertigen meine Mutanten sich scharfe Messer, um damit den Mitgliedern einer verfeindeten Gang, manchmal auch Außenstehenden aus purer Lust, die Kehlen zu durchschneiden.
Schon in der zweiten Generation ist das phantasievoll entwickelte Waffenarsenal meiner männlichen Geschöpfe - vor allem als Potenzsymbol - unvorstellbar breit gefächert. Der Kreativität, einmal in Gang gesetzt, scheinen auf diesem Gebiet keine Grenzen gesetzt zu sein.
Das Rad musste nicht neu erfunden werden - es wurde aus unserer Zivilisation einfach übernommen.
Wenn die jungen Mutanten der übernächsten Generation, nach einer kurzen Entwicklungsphase, endlose Staubfahnen hinter sich herziehend, in ihren gestohlenen und von ihnen selbst trickreich wieder in Gang gesetzten und hochfrisierten Schrottwagen über die unbefestigten Pisten des Plateaux Bateke rasen und sich, von beifall-kreischenden Weibchen angefeuert, formel-1-ähnliche Duelle liefern, dann bin auch ich sehr stolz und sehr glücklich.
Ein zivilisatorischer, technologischer Anfang ist gemacht, wenn auch, wie immer, unter einem etwas umstrittenen Aspekt.
Die Entdeckung des Feuers und der triebhafte Umgang damit, führte anfangs zu einer geradezu erschreckenden, pyromanischen Sucht, der immer wieder ganze Wälder, Maiskulturen und Dörfer zum Opfer fielen. Aber inzwischen versammeln sich die Familien gesittet um das abendliche Feuer.
Denn der Genuss von gegrilltem Fleisch hat den ursprünglich rein vegetarischen Nahrungskonsum weitgehend abgelöst. Akte von Kannibalismus konnten dabei - zumindest bisher - nicht völlig vermieden werden.
Das veränderte Sexualverhalten ist wohl die augenscheinlichste Veränderung im Ethogramm, im Verhaltensinventar meiner Mutanten. Wiederum ein bemerkenswerter Akt der Kultivierung im täglichen Zusammenleben.
Während sich die männlichen Mitglieder anfangs noch wie ihre primitiven Verwandten von rückwärts dem anmutig-einladenden Hintern der Weibchen näherten, die Kohabitation a tergo, also eine Begattung von der Kehrseite her und nur zu Brunftzeiten vornahmen, ohne der Partnerin dabei je in die Augen zu sehen, wechseln meine umkodierten Schimpansen schon in der ersten Generation ihr Verhalten.
Auf Anweisung der Regierung hält ein gewisser Pater Levèbre von der nahegelegenen Missionsstation in Diambálo über die Gruppe der Heranwachsenden meiner Mutanten seine schützende Hand.
Vermutlich unter seinem Einfluss wurde die sexuelle Beiwohnung in der von ihm als einzig-anständig eingestuften, puritanisch-protestantischen Missionarsstellung zur ausschließlichen und sozial akzeptierte Methode der koitalen Vereinigung. Die Phasen von Brunft und Fruchtbarkeit spielen keine Rolle mehr. Es wird daher ständig exzessiv kopuliert. Der Versuch, diesem Ausleben triebhafter Lust mit Gefühlen von Schuld, Scham, Sünde und Reue zu begegnen, gilt allerdings noch nicht als gescheitert.
Auf Anweisung der Regierung dieser ehemals französischen Kolonie mit ihrer christlichen Tradition, trotz einer langen Phase als sozialistische Volksrepublik chinesischen Musters, wurden sowohl alle Kreaturen, die mein Labor erzeugte, wie auch deren Nachkommen, in der französischen Mission in Diambálo von Pater Levèbre umgehend und persönlich getauft.
Ich habe keine Vorurteile oder Einwände gegenüber solchen naiven, ursprünglich heidnischen Ritualen. Weihwasser schadet nicht, befriedigt gewisse archaische Bedenken hinsichtlich böser Geister, und stiftet freudige Familienfeste.
Es gibt also keinerlei Anlass mehr, meinen Mutanten die Privilegien der Human Rights-Akte, der Allgemeinen Menschenrechte nach Artikel 1 Nummer 3,55 der UNO-Satzung als Grundrecht zu verweigern. Es handelt sich schließlich um getaufte Christen, die Pater Levèbre frühzeitig im Evangelium unterwiesen hat.
Die Begabtesten schwärmten aus bis hinein in die Savannen von Zaire und Angola, um als Missionare den gewöhnlichen Schimpansen die Heilsbotschaft zu verkünden.
Ich erinnere an die Videoaufnahme einer mutierten Nonne, vorgeführt hier vor Gericht, die mit beglücktem Gesicht aus dem Gedächtnis die Schrift zitierte.
Was der Herr Chefankläger abfällig als widerliche Pfeif- und Grunzlaute bezeichnete, war der berühmte Psalm: "Meine Augen blicken auf zu den Höhen von wo mir Heil und Hilfe zuteil wird".
Wie mag die Predigt eines Bartolomé de Las Casas, der als Priester Cristopher Columbus auf seiner zweiten Reise begleitet hat, in den Ohren der armen Indios geklungen haben, als er gegen die Sünde wetterte und mit ewigen Höllenstrafen drohte. Obwohl Spanisch eigentlich eine sehr melodiöse Sprache ist.
Die junge Missionarin las auch die politisch umstrittene Stelle aus dem Brief des Apostel Paulus an die Römer, Kapitel 13: "Jedermann ist Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat ... wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet!"
Dieses Zitat hat uns das Wohlwollen der Regierung gesichert.
Zahllose Nachkommen der männlichen, jüngeren Generation zog es daher während ihrer spätpubertären Trotzphase in die von der Obrigkeit festbesoldeten Reihen des Polizeikorps und der offiziellen Regierungsarmee der Republik Kongo, um in kleidsamer Uniform für Gesetz und Ordnung zu kämpfen.
Unglücklicherweise, und unter Fehleinschätzung der legalen und damit gottgewollten Gewalt, fanden ebenso viele Gefallen daran, sich den Truppen der Aufständischen anzuschließen, die dem Heer des Präsidenten, sowohl im Brandschatzen wie im Plündern und Vergewaltigen, weit überlegen sind.
Der aufopfernde Dienst an der Waffe, der Wunsch für die Fahne, für den jeweiligen Präsidenten oder für das geliebte Vaterland zu sterben, ist aber nur eine der vielen Segnungen der genetisch erworbenen Vernunft.
In ihren dunkelblauen Schuluniformen, die rechte Hand auf dem Herzen, den Blick hinauf zur Fahne gerichtet, intonieren bereits die Jüngsten jeden Morgen mit schnarrenden Lauten das Schulgebet und anschließend die Hymne der Nation als Bekenntnis zur Solidarität mit ihrer Republik, mit ihrem Staat.
Z
usätzlich zur christlichen Botschaft, und diese manchmal dominierend, erfinden sich meine Kreaturen phantasiereiche Mythen von Göttern, Götzen und Dämonen sowie bizarre Riten.
Sie erklären sich damit die Welt, Naturphänomene wie Blitz und Donner, Überschwemmungen und Dürre, Angst, Liebe und Tod sowie die hierarchischen Strukturen von Macht und Unterwerfung.
Zwangsläufig verändern sich diese Legenden während ihrer mündlichen Überlieferung schon nach sehr kurzer Zeit.
Um die eigentliche Wahrheit dieses weitgefächerten, primitiven Aberglaubens wird dann erbittert gestritten und gekämpft bis hin zu Mord und Totschlag, verbrämt als Heldentod. Ein Umstand, den ich zutiefst bedauere, aber nicht verhindern kann.
D
er Tod an sich, der triviale, banale Tod, von gewöhnlichen Schimpansen emotionslos und stoisch zur Kenntnis genommen, erhält bei meinen Mutanten eine ideale Komponente durch glorreich-beglückende Jenseits-Phantasien, die als Lohn für Gehorsam und Demut im Diesseits und für die Akzeptierung weitgehend sinnentleerter, ritualisierter Verhaltensmuster im Dienst neuerfundener Ideologien in Aussicht gestellt werden.
Erbauung und Tröstung also auch hier, mit dem gleichen hohen Preis intellektueller Verkümmerung, jedoch mit Aussicht auf Veränderung durch gezielte Dressur.
Das soziale Verhalten gewöhnlicher Schimpansen in Freiheit ist keineswegs immer friedlich und frei von Aggression.
Rivalisierende Männchen, Familien, Stämme oder Gruppen begegnen sich im Konfliktfall lediglich mit Drohgebärden und rein rituellen Aggressionsgesten.
Jetzt aber, im Zeichen intelligenter Vernunft, wird aus dem spielerischen Kriegstanz der Mutanten ein absolut mörderischer Angriff, wird aus der bloßen Demonstration nackte Gewalt.
Ein Talent zur Friedfertigkeit, zur Konfliktvermeidung, Toleranz und Nächstenliebe, war als Gen-Segment innerhalb der menschlichen Vernunft, im göttlichen Funken also, bisher nicht zu entdecken, eine Weitergabe an die auserwählten Hominiden daher nicht möglich.
Darunter leidet auch die von mir angestrebte Sozialisierung des Zusammenlebens.
Ich vertraue jedoch auf das Advancement of Learning, die bereits vor vierhundert Jahren formulierte Erkenntnistheorie des Francis Bacon über den effektiven Gebrauch der menschlichen Vernunft durch Koordination von Verstand und Lerninhalten.
Die Entwicklung verschiedener Intelligenzgrade hatte schon sehr bald Einfluss auf eine vertikale Schichtung zwischen Besitz und Nicht-Besitz, zwischen arm und reich, zwischen Ausbeuter und Ausgebeuteten.
Eine Art Geldwertsystem etablierte sich relativ früh, Haben und Nicht-Haben reflektiert Potenz oder Unterordnung.
Das Spiel um Ansehen und Macht bezieht auch die weiblichen Schimpansen meiner Kreation mit ein.
Rivalität und subtile Kämpfe um Stand und Beziehung zu einem Alpha-Männchen bestimmten sehr bald schon das soziale Verhalten junger Weibchen und führen ständig zu schwer definierbaren Hackordnungen und damit zu instabilen Familienstrukturen.
Auf Grund des verordneten Glaubens, ist die Monogamie als einzig geduldete Form des gesitteten Zusammenlebens sexueller Partnerschaften und Paargemeinschaften ungeschriebenes Gesetz.
Da sie jedoch weder im genetischen Code von uns Menschen noch in dem von Primaten verankert ist, führt die Promiskuität die Liste aller Freizeitvergnügen.
Auch unser Schamgefühl ist lediglich gesellschaftlich antrainiert und keinesfalls im genetischen Code artenspezifisch verankert.
Daher konnte sich Kleidung, von den bereits erwähnten Uniformen für Schüler, Polizeieinheiten und Armee abgesehen, bisher nur zum Zwecke des Schmückens und als Statussymbol durchsetzen. Ansonsten vergnügen sich meine Mutanten in der Regel nackt.
D
as alles ist jedoch einem steten Wandel unterworfen. Denn alle Informationen kommen entweder über das Internet oder durch amerikanische Serien oder Soap-Operas, die zu jeder Stunde des Tages, nur von Werbeblöcken unterbrochen, pausenlos auf den zahllosen Fernsehschirmen in den Familien-Camps flimmern.
Aus den USA kam auch die Segnung einer demokratisch organisierten Gesellschaftsordnung als politisches Credo.
Als Oberhaupt von Familie, Sippe, Stamm und Gemeinde wird nicht mehr der Mächtigste oder körperlich Stärkste gewählt, sondern der, der am meisten verspricht oder die begehrtesten Geschenke verteilen kann.
Diese kommen, überwiegend finanziert von der Weltbank, über Entwicklungsdienste und für völlig andere Projekte gedacht, auf Umwegen und trüben Kanälen bis zu meinen vernunftbegabten Schimpansen, die die Kunst der Korruption bereits verinnerlicht und verfeinert haben.
D
ass sportliche Betätigung einen höheren Stellenwert besitzt als Kunst und Kultur darf nicht überraschen, obwohl die Camps von dorfeigenen Designern inzwischen sehr farbenfroh ausgestaltet werden und Schlagzeugrhythmen den Tagesablauf bestimmen.
Bei den kongolesischen Meisterschaften und im Rahmen der Commonwealth-Games haben meine Kreaturen bereits etliche Weltrekorde gebrochen.
Hürdenläufer und Stabhochspringer anderer Nationen - dies nur als Beispiel - hatten bei Wettkämpfen keinerlei Chancen.
Um eine Disqualifikation meiner Sportkoryphäen zu vermeiden, obwohl genetic engineering bisher nicht unter die Doping-Gesetze fällt, verschweige ich Namen und Anlässe.
Aber ungeachtet von sportlichen Siegen: es befriedigt mich zutiefst, in der Praxis festzustellen, wie durch Kombination von menschlichem Erbgut mit den unverbrauchten Strukturgenen hochentwickelter Menschenaffen eine erfolgreiche, kräftige, körperlich gewandte, vernünftige und zukunftsversprechende Spezies neu erschaffen wurde.
H
ohes Gericht, meine Damen und Herren Geschworenen, ich komme zum Ende und wage eine Konklusion:
Die Tage des homo sapiens sapiens sind gezählt.
Unsere Menschheit, unsere Kultur, unsere technische Zivilisation wird das gerade anbrechende dritte Jahrtausend wohl kaum überleben. Ich sehe dies als ein unabänderliches Faktum! Die Gründe sind vielfältig und sowohl psychologischer, ökonomischer wie ökologischer Art.
Tausende von Versuchen hat die Evolution unternommen, um intelligente Wesen zu erzeugen, die in der Lage sind, sich selbst auszurotten, die ökologische Nische durch Missbrauch der Ressourcen zu schließen, die das Entstehen dieser Art erst ermöglicht hat.
Wir waren die Gewinner! Wir werden die Verlierer sein.
Aber auch genetisch gesehen sind wir verbraucht!
Der Stammbaum der Hominiden ist vielfältig. Zahllose Äste endeten im nirgendwo, ohne Zukunft, ohne weitere Entwicklungs-Chancen auf Grund fehlender Anpassung an veränderte Umweltbedingungen, jedoch nicht ohne Sinn und Konsequenz:
Wie sagte ich doch bereits zu Beginn: Wir sind die Neandertaler von morgen.
Als der altsteinzeitliche Cro-Magnon Mann auf der Szene erschien, war der Neandertaler am Ende.
Durch Vermischung der Erbanlagen bei der Begattung von überlebenden Neandertal-Weibern, tragen wir jedoch einen Teil deren Erbguts immer noch in unseren Genen. Nichts geht also verloren.
Auch ein Teil unseres eigenen Genoms wird uns überleben und in einer neuen, robusteren, überlebensfähigeren Spezies für die nächsten Jahrtausende wirksam sein.
Ich darf mich outen, auf die Gefahr hin, dass Ihre Entscheidungsfindung und Ihr Schiedsspruch dadurch negativ beeinflusst werden:
Dieses den Schimpansen eingepflanzte Gen-für-die-menschliche-Vernunft stammt von mir!
Ich bin der Spender.

Ich danke Ihnen."